Wir zitieren auszugsweise aus dem Wittenberger Tageblatt vom 05. Und 07. Oktober 1888:
„Haben wir in den letzten Tagen auch nicht gerade „Kaiserwetter“ gehabt,
vorgestern vielmehr mit banger Sorge von Nachmittag an den strömenden Regen gesehen und gefragt,
was nun aus dem Jubelfeste der Schlacht bei Wartenburg werden solle,
so können wir heute doch mit ungetrübter Freude auf dasselbe zurückblicken.
Seit Tagen schon war in der Stille gerüstet und vorbereitet, bis am Dienstag Morgen wie mit einem Schlage die Straßen und Häuser des Ortes ihr Festgewand anlegten. An den Eingängen nach Wittenberg, Trebitz und Elster waren Ehrenpforten errichtet, über die Straßen wurden Girlanden gespannt, überall Masten und Flaggen in deutschen und preußischen Farben aufgestellt, an den Häusern Kränze mit kleinen Fähnchen befestigt, um die Thürbogen Laubgewinde angebracht.
Erwartungsvoll sah man den Abend nahen: Um 6 Uhr läuteten die Glocken das Fest ein, um 8 Uhr sollte der Zapfenstreich beginnen, aber es regnete in Strömen. Einzelne Häuser waren iluminiert, aber es fehlte den meisten das Vertrauen auf besseres Wetter, – da um ¾ 9 Uhr ließ der Regen nach, die Fenster und Straßen wurden hell und bald hörte man die bekannten Klänge der Musik des Zapfenstreiches.
Erhebend war es, als um 10 Uhr vor dem Vereinslokal des Militärvereins die ergreifende Weise „Ich bete an die Macht der Liebe“ erklang und den Schluß des Tages bezeichnete.
Gestern früh 5 Uhr meldeten Kanonenschüsse den Beginn des Festtages: Sie sind jenseits der Elbe in der Seydaer Haide gehört worden, bald darauf weckte die Reveille Alt und Jung, so weit sie nicht schon auf den Beinen waren. Es galt die letzte Hand an den Festschmuck zu legen. Von allen Häusern grüßten Fahnen und Flaggen, nicht eins war zu finden, auch nicht in den entlegendsten Gassen, das nicht seine freudige Theilnahme an dem großen Fest- und Ehrentage auf diese Weise bezeugt hätte.
Die Hauptstätte, welche jetzt unser junger Kaiser auf jener großen Reise beerhrt, können nicht mit größerer Bereitwilligkeit und Hingebung sich auf den Empfang des erlauchten Gastes gerüstet haben, wie Wartenburg auf sein Fest.
Von 12 Uhr an trafen die auswärtigen Militärvereine ein, von dem hiesigen Verein am Eingange des Dorfes begrüß. Wagen auf Wagen führte die anderen Gäste herbei aus Wittenberg, Kemberg, Pretzsch, Schmiedeberg und den umliegenden Ortschaften, …
Der Verein Wittenberg war in der imposanten Anzahl von 40 Mann erschienen, während der leider nicht geladene Verein ehemaliger Zwanziger von dort nicht Erschienen war.
Unter dem Geläute der Glocken setzte sich um 2 Uhr der Festzug in Bewegung, voran die Schulkinder und der hiesige Gesangsverein, dann die Kriegervereine mit der hiesigen Feuerwehr. Er fand kaum Platz auf dem ungewöhnlich geräumigen Hofe vor dem Schlosse: der eine Flügel berührte die Einfahrt an der Dorfstraße, der rechte lehnte an der Brücke des Schloßhofes.
Nachdem der Herr Präsident mit den anderen Herren unter dem Präsentier-Marsch der verschiedenen Musikkorps die Front abgeschritten hatte und in den Zug getreten war, gings hinaus an das Denkmal, daß in seiner Umgebung von hohen Tannen schon an sich einen weihevollen, erhebenden Eindruck macht, heute aber durch Aufstellung einer kleinen Kanzel und eines Altars zur gottesdienstlichen Feier besonders gerüstet war.
Blumen- und Flaggenschmuck fehlten auch hier natürlich nicht.
Es war eine nach hunderten zählende andächtige Festgemeinde, welche der weite Raum Kopf an Kopf gedrängt hält, während viele, viele hinter der Einfriedung Platz gefunden hatten. Nach Choralgesang und einer kurzen Liturgie hielt der Ortsgeistliche die Festpredigt …
Herr Pastor Werner hielt die Festpredigt über den Text „Gebt unserm Gott die Ehre“, worauf Herr Regierungspräsident von Deist das Wort zu einer Ansprache nahm.
Er theilte der Festversammlung charakteristische Episoden aus dem Leben Kaiser Wilhelm I. und Friedrich III. mit und sprach begeistert über den Kaiser Wilhelm II.
…
Er schloß mit einem Hoch auf den Kaiser, das einen mächtigen Widerhall in der Festversammlung fand.
Nach Schluß des Gottesdienstes und der Ansprache, sprach der Vorsteher des Vereins Wittenberg namens aller fremden Vereine dem Wartenburger Vereine und den Einwohnern den Dank für den freundlichen Empfang aus, worauf sich der Zug wieder ordnete und seinen Festmarsch durch das Dorf, überall mit freudigen Grüßen und Blumenspenden empfangen, antrat.
Im Richterschen Gasthof war Konzertmusik, im anderen „Zur Sonne“ sammelten sich die tanzlustigen Kameraden und Gäste. Gegen Abend wurde an Se. Majestät den deutschen Kaiser Wilhelm in Wien ein telegraphischer Huldigungsgruß gesandt als der Ausdruck der begeisterten patriotischen Feststimmung und Verehrung aller Festgenossen.
Unsere Freude erregte es, als abends der Herr Graf von Hohenthal mit seinen Gästen im Vereinslokal erschien. Es wurden noch kurze Ansprachen und Grüße gewechselt, dem Hoch auf Se. Majestät den Kaiser Wilhelm II. folgte ein solches auf den leider nicht mehr anwesenden Herrn Regierungspräsidenten und Herrn Landrath von Koseritz und auf den Herren Grafen von Hohenthal-Püchau, und dann betheiligten sich die Herren in liebenswürdigster Weise an der das Tanzvergnügen eröffnenden Polonaise.
Wie lange der Ball gedauert, kann Referent nicht berichten, aber das weiß er, daß es ein schönes Fest war, das noch lange in der Erinnerung aller Theilnehmer fortleben und sicherlich zur Belebung und Stärkung der Vaterlandsliebe, der Hingebung an Kaiser und Reich dienen wird, darum nochmals Dank allen, welche zum Zustandekommen und zum würdigen Verlaufe desselben beigetragen, allen werthen Gästen und Vereinen, wie allen, welche für einen so schönen Schmuck der Straßen und Häuser gesorgt haben.“