Zu unserem Glücksmoment hat eine kleine, rund 300 g schwere Federkugel mit großen orangenen Augen und „Federöhrchen“ entscheidend beigetragen. Wer sich etwas auskennt, weiß sicher, um wen es sich handelt: die Waldohreule (Asio otus).
Waldohreulen besetzen im zeitigen Frühjahr ein kleines Revier in halboffenen Landschaften am Rande von Waldrändern oder in Feldgehölzen mit Koniferenbestand. Das Innere von Wäldern wird hingegen gemieden; das beansprucht der deutlich konkurrenzstärkere Waldkauz (Strix aluco) für sich. Allerdings hat es auch seine Vorteile, klein zu sein, denn die Waldohreule kann sich wortwörtlich zum Brüten ins gemachte Nest setzen; genauer gesagt in alte Elster- oder Krähennester. Das Weibchen legt und bebrütet im Schnitt vier bis fünf Eier, aus denen nach knapp einem Monat die Küken schlüpfen. Mit etwa 20 Tagen verlassen diese das Nest und werden einen Monat lang als Ästlinge versorgt.
Sobald das Laub zu fallen beginnt, wird es den Waldohreulen an ihrem Brutplatz zu ungemütlich und sie suchen sich gut geschützte Bereiche für den Winter. Hierfür schließen sich oft mehrere Eulen zusammen und verschlafen gemeinsam den Tag in einem Baum: die Schlafplätze entstehen. Verweilen viele Eulen über längere Zeit an solch einem Schlafplatz, hinterlässt das Spuren in Form von Kot und Gewöllen am Boden. Derartige Hinterlassenschaften bleiben aufmerksamen Beobachtern nicht verborgen, weshalb die Umsiedlung des Eulen-Schlafplatzes 2019 von der Kirche zum Friedhof in Wartenburg sogleich auffiel.
Der Kreis Wittenberg hat eine aktive ornithologische Gemeinschaft, die neben regelmäßigen Felderfassungen wissenschaftliche Erkenntnisse mittels Vogelberingung gewinnt. Bei der Beringung wird am rechten Vogelbein ein Aluminium- oder Stahlring mit individueller Kennnummer befestigt. Dadurch werden bei einem Wiederfang, einer Freiland-Ablesung oder bei einem Totfund verschiedenste Informationen über den Vogel gewonnen. Beispielsweise konnten durch die Vogelberingung viele Zugwege rekonstruiert, Populationsgrößen eingeschätzt und demographische Informationen erlangt werden.
Die Beringung ist eine sehr zeitintensive Tätigkeit, die viel Geduld erfordert. Daher ist es sinnvoll, an Orten zu beringen, an denen die Wahrscheinlichkeit von Fängen relativ hoch ist; beispielsweise, weil viele Individuen vor Ort sind. Demzufolge eignen sich Schlafplätze hervorragend für Beringungsaktionen. In Wartenburg wurden erstmals in den Jahren 2019 und 2020 acht Waldohreulen durch Nico Stenschke und Guido Schmidt beringt. Mitte November 2021 konnte mit 34 Individuen ein neuer Höchstwert an Waldohreulen am Schlafplatz Wartenburg ermittelt werden. Aber eine gewisse Dunkelziffer bleibt, denn im dichten Geäst der Koniferen kann auch dem geübtesten Beobachter die eine oder andere Waldohreule verborgen bleiben. Daher war die Zeit reif für einen neuen Fangversuch. Am 02.12.2021 wurde mit insgesamt acht Personen alles aufgefahren, was die Fang-Trickkiste zu bieten hatte: Mäuse als Lockmittel, vier Japannetze (1 x 8 m, 3 x 12 m), vier Schlagfallen und zwei Bal Chatri-Fallen sollten uns helfen, den Ring an die Eule zu bringen; mit überwältigendem Erfolg. Nach etwa 3 Stunden Fangzeit hatten dreizehn Eulen einen Ring am Bein, die Vogelwarte Hiddensee neue Daten zu Flügelmaßen, Geschlecht und Alter der Waldohreulen und wir ein wunderschönes Glücksgefühl im Bauch. Denn seien wir mal ehrlich: Wie oft haben wir sonst die Gelegenheit, eine flauschige Waldohreule in den kalten Fingern zu halten und aus der Nähe zu betrachten?
Melanie Theel
vom Biotopmanagement Schonert
Wir bedanken uns ganz herzlich bei Martin Jordan, der die schönen Fotos zur Waldohreule beigesteuert hat!